04.03.2010 00:00

Urteilsverkündung zur Vorratsdatenspeicherung

Ein Augenzeugenbericht von der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts
am 02. März 2010


"[...] Die Umsetzung der Richtlinie EU/2006/24 mittels §§113a, 113b TKG sowie §100g StPO sind verfassungswidrig und daher nichtig."

Dies waren die einleitenden Worte des Vorsitzenden des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts Herrn Papier. Er führte weiter aus, dass alle bisher gespeicherten Daten zu löschen seien und jegliche Weitergabe an Behörden usw. zu unterbleiben hat. Die Zuhörer im voll besetzten Zuschauerbereich entspannten sich sichtbar und einige Aktivisten begannen sich zu gratulieren.

Jedoch war die dann folgende Begründung nicht so wie die Beschwerdeführer gehofft hatten. Der Senat stellte zwar die Umsetzung als verfassungswidrig dar, die Richtlinie an sich, bzw. die daraus resultierende Speicherpflicht sei aber nicht per se verfassungswidrig. Er könne nicht erkennen, wie eine vorsorgliche Speicherung von Telekommunikationsbeziehungsdaten, die im übrigen nicht automatisch den Behörden zur Verfügung stehen würden, gegen die Verfassung verstossen solle. Insbesondere sei dem Senat kein schwächer in die verfassungsgemässen Rechte nach Art. 10 GG eingreifendes Mittel bekannt um das selbe, in sich legitime Ziel der Strafverfolgung und Gefahrenabwehr zu erreichen.

Zwar könne man aus den gespeicherten Daten sehr leicht ein Persönlichkeits- und Bewegungsprofil erstellen, hierzu müsse aber der Zugriff auf alle oder zumindest eine Vielzahl von Daten erfolgen. Sofern dies nicht möglich sei, könne man grundsätzlich die Datenspeicherung bejahen. Er stellte allerdings klar, dass hierzu sehr strenge Regeln und technische Voraussetzungen vorhanden sein müssen.

Der Senat bemängelte in den angegriffenen Vorschriften, dass der Gesetzgeber aus seiner Sicht bereits die Mindestanforderungen an ein in die Verfassungsrechte eingreifendes Gesetz nicht erfüllen würde. So fehlte dem Senat u.a.

  • Eine klare Begriffsbestimmung wann auf diese Daten zugegriffen werden kann. In den angegriffenen Vorschriften würde sich keine hinreichende Bestimmung erfolgen.
  • Regelungen, wie die gespeicherten Daten zu sichern seien. In den zwei Jahren, seit denen die angegriffenen Vorschriften in Kraft seien, hat es der Gesetzgeber nicht geschafft, auch nur eine Richtlinie oder Verordnung zur sicheren Speicherung der Daten zu erstellen. Insbesondere fehlt dem Senat eine klare Aussage über die Verschlüsselung der Daten.
  • Regelungen über den Zugriff auf die Daten selbst, wie z.B. revisionssichere Protokollierung des Zugriffs oder Vier-Augen-Prinzip.
  • Regelungen über die Haftung für Verstösse gegen die Sicherungspflichten. Der Gesetzgeber habe zwar deutliche Bussgelder für einen Verstoss gegen die Speicherpflicht definiert, eine Regelung zur Haftung bei Verstössen gegen die Sicherung vor unbefugtem Zugriff würde aber nicht mal ansatzweise existieren.
  • Regelungen über die Transparenz der getroffenen Massnahmen. Insbesondere seien keinerlei Regelungen über die Information der Betroffenen über den Zugriff auf deren Daten ersichtlich. Die Möglichkeit des Rechtssicherungsverfahrens oder ein Richtervorbehalt in Fällen der ausnahmsweise möglichen Nichtbenachrichtigung sei nicht vorgesehen.

Der Senat führte in seiner Kritik an den angegriffenen Regelungen sehr deutlich auf, dass er die Umsetzung durch den Gesetzgeber für mangelhaft hält und den Anforderungen an ein in die verfassungsgemässen Rechte eingreifendes Gesetz nicht annähernd genügen würden. Weiterhin entwickelte der 1. Senat des BVerfG einen sehr detaillierten Massnahmenkatalog und Regelungselemente, mit denen er ein Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie als verfassungskonform ansehen würde.

Diesen Katalog erachtete der Verfassungsrichter Schluckebier in einem Sondervotum als zu weit gehend. Er führte aus, dass das Verfassungsgericht eben kein legislatives Organ sei, und daher dem Gesetzgeber nicht von vorne herein Einschränkungen und Handlungsanweisungen zur Gesetzgebung geben dürfe. Es schränke damit die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers unzulässig ein.


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